Stefan Schubert

Bundesregierung im Cyberkrieg:
Opfer und Täter zugleich

Zweifellos tobt ein weltweiter Krieg um Informationen, Regierungsgeheimnisse und private Daten der Bürger. Schon der englische Philosoph Francis Bacon wusste: »Denn Wissen selbst ist Macht.« Im 21. Jahrhundert muss jedoch kein Geheimdienst mehr Agenten im Fallschirm über fremden Staaten abspringen lassen. Ein Internetzugang reicht aus.

Cyberattacken häufen sich in immer kürzeren Abständen, sodass IT-Experten längst von einem Cyberkrieg sprechen. Im März wurden Tausende Zugangsdaten von Sicherheitskräften erbeutet. Betroffen wurden dabei besonders die Bundespolizei und ihre digitale Lernplattform Ilias, wo bis 3000 Zugangsdaten abgegriffen wurden. Der Angriff war so erfolgreich, dass die Lernplattform komplett vom Netz genommen werden musste. Das LKA ermittelt. Der Cyberangriff war Teil einer großangelegten Hackerattacke auf das Regierungsnetz Informationsverbund Berlin-Bonn (IVBB). Denn selbst im Jahr 2018 verfügt Deutschland noch immer über zwei Hauptstädte.

Die Ministerien sind meist auf Berlin und Bonn aufgespaltet und müssen folglich permanent miteinander kommunizieren. Auch Bundestag, Bundesrat, Bundeskanzleramt und die Sicherheitsbehörden stehen über das IVBB in Kontakt miteinander. Und genau auf diese Schwachstelle hat es die Hackergruppe, die als »Snake«, »Epic Turla« oder als »APT28« bezeichnet wird, abgesehen. Die Gruppe wird dem russischen Geheimdienst zugeordnet. Der Cyberangriff gelang, die Bundesregierung musste bestätigen, dass beim Russland-Referat im Auswärtigen Amt Dokumente erbeutet wurden.

Des Weiteren sollen auch Aufzeichnungen über EU-Gespräche zur Ukraine sowie Weißrussland und über die Verhandlungen der EU mit Großbritannien zum Brexit zu den entwendeten Daten gehören. Zu den Folgen des gleichzeitig erfolgten Angriffs auf das Verteidigungsministerium gab es widersprüchliche Aussagen.

Cyberattacke gegen die Bundesregierung

Bis zu 20 hochspezialisierte Hackerangriffe pro Tag werden auf das IT-System der Bundesregierung registriert. Mindestens bei einem Angriff pro Woche kann ein »nachrichtendienstlicher Hintergrund« nachgewiesen werden. Das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) musste verschiedenste Bundesbehörden 2017 von 70 erfolgreichen Cyberangriffen unterrichten. Die Bundesregierung ist somit trotz immenser Ressourcen nicht in der Lage, ihre eigenen Netze zu schützen.

Die Lage ist so angespannt, dass die NATO öffentlich mit dem Säbel rasselt. So verkündete NATO-Generalsekretär Stoltenberg, dass ein schwerer Cyberangriff den Bündnisfall nach Artikel 5 auslösen könnte. Eine verheerende Cyberattacke birgt somit das Potenzial, einen konventionellen, militärischen Krieg auszulösen. Dabei ist die Bundesregierung selbst wenig zimperlich, wenn es um das Ausspähen der eigenen Bevölkerung geht. Neben Strafverfolgungsbehörden hat auch der Bundesnachrichtendienst (BND) direkten Zugriff auf die Internetserviceprovider (ISPs) bei Telekom, Vodafone, 1&1 und weiteren Anbietern. Die Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) verpflichtet die Provider zur strengsten Geheimhaltung. Eine Zahl aus 2010 macht deutlich, wie umfangreich die Überwachung der Bevölkerung ist.

Rund 37 Millionen Mails wurden nur vom BND herausgefiltert, weil diese eine oder mehrere Signalwörter enthielten. Und auch der rund sechs Millionen teure Staatstrojaner wird nach anfänglichen Schwierigkeiten durch das BKA bereits eingesetzt. Nachdem die Software heimlich auf dem Smartphone oder dem Tablet installiert wurde, saugt sie Informationen ab und sendet diese unbemerkt an die Behörde. Auch in Chats, wie dem verschlüsselten Messenger-Dienst bei WhatsApp, soll der Staatstrojaner eindringen können. Weiterhin greift der Staat so massiv auf private Kontodaten zu wie noch niemals zuvor. Nach einer ersten Regelung im Jahr 2005 durch die damalige rot-grüne Bundesregierung führte ein weiteres Gesetzespaket des Bundestages 2017 dazu, dass das fast 400 Jahre alte Bankgeheimnis im Steuerrecht komplett abgeschafft wurde. Wobei von einem echten Geheimnis schon lange keine Rede mehr sein konnte. Was die Finanzämter von den Banken erfahren wollten, erfuhren sie. Man musste nur mal mit dem Entzug der Konzession drohen.

Zunehmende Kontos-Schnüffelei

Offiziell wurde auch hier die Terrorismusbekämpfung angeführt, doch in Wahrheit geht es um eine anlasslose Massenüberwachung der Bevölkerung. Hinter der Formulierung »Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz« versteckt sich dieser Überwachungskrake. Zur Beschwichtigung wurde der Bevölkerung versprochen, die Abfragen der Bankkonten würde eine »Ausnahme« bleiben. Im Jahr 2017 stieg die Anzahl der Kontenabfragen auf den neuen Höchststand von 692 166. Dies ist eine Steigerung von 330 000 Abfragen in nur einem Jahr. Neben Finanzämtern und Jobcentern können auch Gerichtsvollzieher auf die Bankdaten zugreifen. Die Menschen sind dieser Massenüberwachung schutzlos ausgeliefert.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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