Tyler Durden

Chinas Strafzoll auf Sojabohnen verändert die Gesamtlage grundlegend

Dass China im Handelskrieg zurückschlagen würde, dürfte niemanden mehr wirklich überrascht haben, schließlich hatten wir doch schon vor zwei Wochen berichtet, dass China weitere Strafzölle in Milliardenhöhe verhängen werde. Tatsächlich ist es nun also ein 25-Prozent-Strafzoll auf 106 amerikanische Artikel mit einem Gesamtwert von 50 Milliarden Dollar geworden.

Eine Überraschung gab es allerdings trotzdem: China kündigte nämlich an, auch amerikanische Sojabohnenexporte in die Liste der Artikel aufzunehmen, die von den Zöllen betroffen sein würden. Wie wir bereits geschrieben haben, eröffnet das den USA die Möglichkeit einer dritten Runde von Strafzöllen. Das würde dafür sorgen, dass der Handelskrieg tatsächlich »atomar« wird.

Beobachter und Analysten waren überrascht, dass auch Sojabohnen auf der Liste der betroffenen Artikel standen. Julian Evans-Pritchard von Capital Economics beispielsweise schreibt: »Mit seiner raschen und aggressiven Reaktion auf die angedachten amerikanischen Strafzölle hat China für beide Seiten den Einsatz erhöht.«

Weshalb genau ist es so überraschend, dass Sojabohnen auf der Liste der Artikel stehen, die mit Zöllen belegt werden?

Nun, China zielt darauf ab, amerikanischen Exporteuren weh zu tun, aber gleichzeitig werden auch die chinesischen Produzenten und Lieferketten spürbar in Mitleidenschaft gezogen. Während China nach Ersatz für Sojabohnen-Lieferungen aus den USA sucht, bereitet Peking »den inländischen Unternehmen schweres finanzielles Leid, sagen Analysten und Manager von Futtermittelunternehmen«. Das schreibt die Nachrichtenagentur Reuters.

Es besteht die Gefahr eines explosionsartigen Preisanstiegs für Lebensmittel, denn die steigenden Futtermittelpreise treiben auch den Kurs für Schweinefleisch in die Höhe.

Mit Blick auf einen Handelskrieg ist es absolut logisch, Sojabohnen mit Strafzöllen zu belegen. China ist der weltgrößte Importeur des Ölsamens, entsprechend gelten Sojabohnen als eine der stärksten Waffen im Arsenal Pekings. Brechen die Exporte nach China ein, würden darunter Iowa und andere amerikanische Agrarstaaten leiden – Regionen, die Trump zum Präsidenten gewählt haben. Die nachfolgende Grafik zeigt, dass Sojabohnen mit einem Wert von 12 Milliarden Dollar vergangenes Jahr der wichtigste landwirtschaftliche Artikel waren, den die USA nach China ausführten.

Falls von Ihnen jemand mit Wertpapieren von Sojabohnen-Produzenten handeln möchte (egal ob kaufen oder verkaufen): Laut Bloomberg sind die fünf größten Unternehmen, die China mit Sojabohnen beliefern, diese:

  1. Bunge
  2. Marubeni
  3. Cofco
  4. Cargill
  5. Dreyfus

Chinas Appetit auf Sojabohnen scheint gewaltig: Vergangenes Jahr kauften die Chinesen so viele Sojabohnen wie nie zuvor und Chinas Anteil am Welthandel liegt mittlerweile bei 60 Prozent. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass China, um die weltgrößte Bevölkerung eines Landes ernähren zu können, auch die weltgrößten Viehbestände halten muss, darunter 400 Millionen Schweine. Aus den Sojabohnen wird in Fabriken Schrot hergestellt, ein wichtiger Bestandteil in Tierfutter.

An diesem Punkt fangen die Probleme an und es wird klar, warum Chinas Vorgehen so viele Experten überrascht hat: »Es gibt außerhalb der USA schlicht nicht ausreichend Sojabohnen in der Welt, um Chinas Bedarf zu decken«, sagt Mark Williams, Chefökonom für Asien bei Capital Economics. »Es gibt einige Möglichkeiten, die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren, aber darunter ist keine Wunderwaffe, die den amerikanischen Farmern wehtut, ohne im eigenen Land Kosten zu erzeugen.«

Die heimische Produktion jedenfalls reicht in keinem Fall aus: China produziert nur etwa 14 Millionen Tonnen Sojabohnen, aus denen vor allem Lebensmittel für den menschlichen Verzehr hergestellt werden. Deshalb ist China besonders abhängig für Importe – und damit von den USA.

Kurz gesagt: Indem sie die amerikanischen Sojabohnen-Importe beschneiden, schießen sich die Chinesen möglicherweise selbst in den Fuß.

Zunächst einmal ein paar Statistiken: Die Hälfte der chinesischen Importe im vergangenen Jahr kamen aus Brasilien, während die Vereinigten Staaten etwa 33 Millionen Tonnen lieferten, was rund ein Drittel der Gesamtmenge ausmacht. Es wird China nicht leichtfallen, diese Mengen zu ersetzen, wenn es denn überhaupt möglich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass in Argentinien Dürre herrscht. Der drittgrößte Produzent der Welt wird in der Saison 2017/18 keine sieben Millionen Tonnen exportieren, so wenig wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr, schätzt das amerikanische Landwirtschaftsministerium. Weitere 17 Millionen Tonnen bezieht China nicht von Brasilien, den USA und Argentinien, sondern aus einer Handvoll Länder.

Natürlich stehen China für den Notfall einige Optionen offen, aber bei allen besteht die Gefahr, dass sie eine Inflationswelle anstoßen könnten und sich die Ereignisse von 2011 wiederholen. Der Staat könnte auf die strategischen Notfallreserven zurückgreifen oder er könnte die Inhaltsstoffe überarbeiten, die in Futtermitteln zum Einsatz kommen, sagen Analysten, Experten, Händler und Käufer bei Futtermittelanlagen. »Einige sagen, China könne einfach die staatlichen Reserven aufbrauchen. Das ist eine Möglichkeit, aber niemand weiß, von wie vielen Tonnen wir reden«, sagte Paul Burke, Direktor des amerikanischen Sojabohnen-Exportrats für Asien.

Laut Reuters arbeiten einige Produzenten von Tiernahrung bereits heimlich an Notfallplänen. Futtermittelanlagen beispielsweise erhöhen einigen Berichten zufolge den Anteil von Mais und Trockenschlempe, einem Abfallprodukt der Ethanolproduktion, oder Rapsschrot und Baumwollsaatmehl.

Doch dieses Vorgehen birgt seine eigenen Risiken, denn wenn man an den Zutaten dreht, kann es schwierig sein, das gewünschte Proteinniveau zu erzielen. Der maximal zulässige Anteil von Trockenschlempe beispielsweise liegt bei rund 20 Prozent und weil Rapsschrot giftige Inhaltsstoffe enthalten kann, darf es im Schweinefutter nur bis zu fünf Prozent ausmachen. Im Futter für Sauen oder Ferkel ist es normalerweise gar nicht enthalten.

Ein noch größeres Risiko jedoch stellt die Inflation dar.

Werden die amerikanischen Sojabohnen teurer, müssen Importeure in anderen Ländern einkaufen, vor allem in Brasilien und Argentinien. Diese werden auf den Wegfall ihres größten Wettbewerbers natürlich mit Preiserhöhungen reagieren. Allein schon die Drohung Chinas hat dazu geführt, dass Brasiliens Exportpreise ein Allzeithoch erreicht haben und dass die Inlandspreise für Sojabohnen und Sojaschrot-Futures gestiegen sind.

»Ich möchte nicht, dass China die Handelsspannungen eskaliert«, sagte der Einkaufsleiter eines Futtermittelherstellers. Er ist besorgt, dass die Preise steigen könnten und dass es zu wenig Futtermittelalternativen mit ähnlichem Proteingehalt wie Sojaschrot geben könnte. »Brasilien stellt normalerweise um den September herum die Verkäufe ein und von Oktober bis März kauft man normalerweise in den USA ein. Wo sollen wir während dieser Zeit Bohnen bekommen, wenn wir nur in Brasilien einkaufen?«

Einkaufen wird man auch dann noch können, irgendjemand verkauft immer. Die Frage ist nur, zu welchem Preis. Und wenn den Schweinefarmern die Kosten davonlaufen, steigt mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch der Preis für Schweinefleisch. Schwein ist Teil des chinesischen Verbraucherpreisindex. Sollten die Lebensmittelpreise zu hoch ansteigen, dürfte es wie schon 2011 zu öffentlichen Unmutsbekundungen und Anzeichen für soziale Instabilität kommen. Damals führten die Ereignisse dazu, dass die chinesische Regierung rasch die finanziellen Bedingungen verschärfte. Das löste ein weltweites Finanzchaos aus und läutete – zumindest nach Ansicht einiger Experten – die nächste Phase in Europas Schuldenkrise ein.

All das bedeutet, dass sich die Situation grundlegend geändert hat, seit China beschloss, Sojabohnen auf die Liste der mit Strafzöllen zu belegenden Produkte zu setzen. Es zeigt zum einen, dass es China todernst mit seinen Vergeltungsmaßnahmen ist und dass Peking hofft, den amerikanischen Farmern weh zu tun, die hinter Trump stehen. Zum anderen könnte China jedoch seine eigene bösartige Inflation der Lebensmittelpreise in Gang gesetzt haben, ein Prozess, der zu sozialem Chaos und Instabilität führen könnte.

Das ist wohl kaum das Resultat, dass sich Chinas Präsident Xi herbeisehnt, aber es wird Musik in Trumps Ohren sein, während sich die Anführer der beiden Supermächte eingraben und darauf einrichten, das in diesem Handelskrieg eine längere Phase der Grabenkämpfe bevorsteht.