Tyler Durden

Cockburn: Möglicherweise kann Trump einem Krieg gegen den Iran gar nicht mehr ausweichen

Dass ein – wie auch immer gearteter – militärischer Konflikt im Persischen Golf immer wahrscheinlicher wird, zeigt auch der Sinneswandel von Präsident Trump, der praktisch in letzter Minute amerikanische Luftangriffe auf den Iran abblies. Sein Zögern dürfte vermutlich weniger damit zu tun haben, dass eine iranische Boden-Luft-Rakete eine amerikanische Überwachungsdrohne abgeschossen hat, sondern viel mehr mit seinem Bauchgefühl, wonach es nicht im besten Interesse Amerikas ist, die Krise auf eine militärische Ebene zu hieven.

Angenommen, Trump hätte nicht zurückgezogen und es wären tatsächlich Angriffe auf iranische Radar- und Raketenstellungen geflogen worden, was genau hätte ihm das gebracht? Diese Form eines begrenzten militärischen Durchgreifens ist normalerweise als Drohung wirksamer als die eigentliche Tat. Die USA werden keinen Alles-oder-nichts-Krieg gegen den Iran führen, aber alles was dahinter zurückbleibt, verursacht mehr Probleme, als es sie löst.

Auch nach einem Militärschlag besäße der Iran zweifelsohne die Fähigkeit, in der ganzen Golfregion Nadelstiche zu setzen, insbesondere rund um die nur 50 Kilometer breite Straße von Hormus, durch die 30 Prozent des weltweiten Ölhandels passieren. Wann immer etwas an diesem Nadelöhr passiert, ist das Echo rund um den Globus zu hören. Als bekannt wurde, dass eine Drohne abgeschossen wurde, stieg der Preis der Rohölsorte Brent sprungartig um 4,75 Prozent an.

Verdeutlichen wir uns noch einmal: Die iranische Boden-Luft-Rakete hat eine 130 Millionen Dollar teure Drohne vom Himmel geholt, im Prinzip ein unbemanntes Flugzeug, das mit Elektronik vollgestopft ist, die eigentlich genau dieses Szenario verhindern und die Drohne immun gegen Angriffe machen sollte. Die Schlussfolgerung: Wenn amerikanische Flugzeuge anfangen, im iranischen Luftraum oder an dessen Grenzen zu agieren, wird es voraussichtlich zu Verlusten kommen.

Doch das Dilemma, vor dem Trump steht, reicht viel tiefer. Nachdem er die USA 2018 aus dem Atomabkommen mit dem Iran führte, setzte Trump Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft und diese haben verheerende Wirkung für den Iran. Das US-Finanzministerium ist als internationaler Machtfaktor tödlicher als das Pentagon. Die EU und andere Nationen halten sich weiter an das Abkommen, aber in der Praxis dulden sie die wirtschaftliche Blockade des Irans.

Teheran blieb keine andere Wahl als eine Eskalation des Konflikts. Die iranische Regierung will sicherstellen, dass es schmerzhaft wird für die USA, für die europäischen und asiatischen Mächte und für die regionalen Verbündeten der USA, also Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Von den EU-Ländern, die das Atomabkommen von 2015 unterzeichnet haben und noch dazu stehen, hat Teheran nie viel erwartet und sieht sich nun in dieser Haltung bestätigt.

Viele Kommentatoren sind einem grundlegenden Irrtum aufgesessen, was die Konfrontation zwischen den USA und dem Iran anbelangt: Es scheint auf der Hand zu liegen, dass die USA Interesse daran haben, ihre Forderungen dem Iran mithilfe ihrer enormen militärischen Überlegenheit aufzuzwingen. Aber nachdem es amerikanischen Bodentruppen nicht gelang, im Irak und in Afghanistan zu gewinnen (von Somalia ganz zu schweigen), kann kein amerikanischer Präsident mehr einen Bodenkrieg im Nahen Osten beginnen, ohne sein politisches Überleben in der Heimat massiv zu gefährden.

Weit vor seinem Amtsantritt nahm sich Trump diese Lektion zu Herzen. Er ist ein echter Isolationist in der amerikanischen Tradition. Die Demokraten und große Teile der amerikanischen Medien stellen ihn als Kriegshetzer dar, aber bislang hat er noch keinen Krieg angefangen. Sein Berater für nationale Sicherheit, John Bolton, und sein Außenminister Mike Pompeo überziehen den Iran mit Drohungen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen, aber Trump sieht derart kriegstreiberische Rhetorik offenbar nur als einen weiteren Weg, den Druck auf den Iran zu erhöhen.

Ist ein Bodenkrieg allerdings ausgeschlossen, reden wir über die Art von begrenztem Konflikt, mit der sich der Iran seit Langem auskennt. Die Iraner hätten ihre Doktorarbeit zum Thema »Teils politischer, teils militärischer Krieg« geschrieben, sagte mir einmal ein ranghoher iranischer Vertreter. Mit diesen Taktiken agiert Teheran seit 40 Jahren erfolgreich im Libanon, im Irak und in Syrien. Die Iraner haben viele Möglichkeiten, die USA unter Druck zu setzen, und in erster Linie bieten sich hier Washingtons Verbündete in Saudi-Arabien und den Emiraten an.

Allerdings könnten die Iraner ihr Blatt auch überreizen – Trump mag ein Isolationist sein, aber er ist auch ein populistischer Staatschef, der in seinen Wahlkampfveranstaltungen für die nächsten Präsidentschaftswahlen für sich in Anspruch nimmt, Amerika wieder groß gemacht zu haben. Derartige Prahlereien erschweren es Trump, keine Vergeltung am Iran zu üben, denn er verteufelt das Land als Quell aller Probleme im Nahen Osten.

Eine spezielle militärische Option der USA mag oberflächlich betrachtet attraktiv erscheinen, doch dahinter verbergen sich zahlreiche Fallstricke. Es geht dabei um einen begrenzten militärischen Konflikt nach Art des »Tankerkrieges«, den die USA und der Iran 1980 während des Irak-Iran-Krieges austrugen und den die USA für sich entscheiden konnten.

Saddam Hussein legte es damals darauf an, den Iran von seinen Ölexporten abzuschneiden, während der Iran seinerseits dasselbe mit dem Irak versuchte. Die USA und ihre Verbündeten stellten sich offen auf die Seite Saddam Husseins – was rasch wieder vergessen war, nachdem der irakische Präsident seine Truppen 1990 in Kuwait einmarschieren ließ. Ab 1987 begleiteten amerikanische Kriegsschiffe irakische Öltanker, die nun aber in Kuwait registriert waren, durch den Golf. Die USA flogen Luftangriffe auf iranische Schiffe und Anlagen an der Küste. Höhepunkt war 1988 der unabsichtliche, aber absolut vermeidbare Abschuss eines iranischen Passagierflugzeugs mit 290 Passagieren an Bord durch die USS Vincennes. Der Iran war letztlich gezwungen, in seinem Krieg mit dem Irak um Frieden zu bitten.

Es gibt einige pensionierte US-Generäle, die davon sprechen, den Tankerkrieg zu wiederholen, aber mittlerweile haben sich die Bedingungen verändert. 1988 war Irans Hauptgegner der Irak unter Saddam Hussein und der Iran war auf dem besten Weg, diesen Krieg, der nur an einer einzigen Front ausgetragen wurde, zu verlieren.

Saddam Hussein ist inzwischen Geschichte und der Irak wird von einer schiitisch dominierten Regierung geführt. Bagdad versucht, in der USA-Iran-Krise neutral zu bleiben, aber kein irakischer Staatschef kann es sich erlauben, sich dem Iran, der stärksten schiitischen Macht, entgegenzustellen. Seit dem Irak-Iran-Krieg hat sich das politische Klima in der Region grundlegend verändert, und zwar sehr zugunsten des Irans. Von der afghanischen Grenze bis zum Mittelmeer – im Iran, im Irak, in Syrien und im Libanon ‒ sind Schiiten an der Macht oder die stärkste Kraft im Land. USA und Großbritannien sprechen in diesem Zusammenhang oft von »iranischen Handlangern«, aber tatsächlich steht der Iran einer konfessionellen Koalition mit religiöser Basis vor.

Dieses Bündnis hat seine wichtigsten Kämpfe bereits gewonnen – dank der Schiiten-Parteien im Irak, dank Baschir al-Assad in Syrien, dank der Hisbollah im Libanon – und an diesem Ergebnis wird sich auch nichts ändern. Die Huthi im Jemen (die übrigens einer anderen Variante des Schiitentums angehören) überleben seit Längerem Bemühungen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate, sie zu bezwingen.

Vor 28 Jahren haben die USA zum letzten Mal im Golf einen begrenzten Krieg mit dem Iran ausgetragen. Im Vergleich zu damals sind die Vereinigten Staaten heute schwächer. Israel, Saudi-Arabien und die VAE mögen Trump gedrängt haben, das Atomabkommen zu zerreißen und dem Iran entgegenzutreten, aber sie zeigen wenig Begeisterung dafür, sich einem möglicherweise resultierenden Krieg anzuschließen. Nehmen wir einmal an, dass tatsächlich der Iran hinter den Nadelstichen gegen die Öltanker steckt (was durchaus wahrscheinlich scheint), dann sollten die Angriffe vermutlich eine Botschaft vermitteln: Wenn man die Ölexporte des Irans blockieren kann, dann lassen sich auch die Ölexporte der anderen Golfstaaten blockieren. Trump mag glauben, er könne einen weiteren Krieg im Nahen Osten noch vermeiden, aber möglicherweise steckt er bereits viel zu tief in diesem Treibsand.

Quelle: ZeroHedge

Freitag, 28.06.2019