Torsten Groß

Corona-Krise: Schwedens Sonderweg steht in der Kritik

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Die Corona-Pandemie wütet weiter. Offiziellen Angaben zufolge haben sich weltweit rund 800.000 Menschen mit dem Virus infiziert, mehr als 40.000 sind verstorben. Von der Pandemie betroffen ist auch Schweden. Hier sind nachweislich 3.700 Menschen von dem Virus befallen. Die Zahl der Todesopfer beläuft sich auf 110. Vor einer Woche waren es erst 2.016 Infizierte und 25 Tote. Das Virus verbreitet sich also auch in Schweden rasant aus. Doch während fast alle Länder der Welt auf die Epidemie mit teilweise strikten Ausgangsbeschränkungen und Lockdowns reagieren, geht Schweden einen anderen Weg. Hier sind Kneipen, Restaurants und Geschäfte weiter geöffnet. Kleinere Kinder dürfen Grundschulen und Kitas besuchen. Auch auf Grenzschließungen wird verzichtet.

Statt restriktiver Maßnahmen setzt die Regierung aus Sozialdemokraten und Grünen auf Freiwilligkeit und das Verantwortungsbewusstsein der Bürger. Menschen über 70 Jahren wird empfohlen, zu Hause zu bleiben. Erwerbstätige sollen wenn möglich vom Home Office aus arbeiten, nicht dringend erforderliche Reisen unterbleiben.

979100_thor_kunkel_woerterbuch_luegenpresseDas schwedische Konzept geht auf Anders Tegnell zurück, Staatsepidemiologe der Volksgesundheitsbehörde (Folkhälsomyndigheten) und Chefberater der Regierung. Tegnell vertritt die Auffassung, dass alle Maßnahmen, die gegen die Ausbreitung des Virus ergriffen werden, so konzipiert sein müssen, dass sie von der Bevölkerung über einen längeren Zeitraum durchgehalten werden können, da andernfalls der Rückhalt schwinde. Tegnell wörtlich:

»Das Wichtigste, was wir jetzt machen können, ist zuhause zu bleiben, wenn wir uns krank fühlen. Das sagen wir jeden Tag und werden das weiter tun, solange die Epidemie anhält, denn das ist die Grundlage für alles, was wir tun.«

Und an anderer Stelle: »Es ist nicht möglich, sehr drastische Dinge wie in anderen Ländern zu tun, die Schließung von Schulen für vier oder fünf Monate hätte in vielerlei Hinsicht schwerwiegende Auswirkungen, insbesondere auf die öffentliche Gesundheit.« Die Einstellung des Schulbetriebs sei aus Sicht des Epidemiologen auch nicht geboten, da sich diese Bildungseinrichtungen bislang in keinem Land als Hotspots für die Verbreitung von Corona erwiesen hätten.

Die von Tegnell propagierte und von der rot-grünen Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Stefan Löfven umgesetzte Seuchenstrategie stößt allerdings auf massive Kritik in der Fachwelt, auch in Schweden selbst.

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Experten werfen den Verantwortlichen vor, es gehe ihnen offenbar mehr um das Wohl der Wirtschaft als um die Gesundheit der Bevölkerung. Man erinnert daran, dass Tegnell noch vor wenigen Wochen das Konzept der sog. »Herdenimmunität« favorisiert hatte, das zunächst auch von Großbritannien und den Niederlanden verfolgt worden war.

Mittlerweile ist klar, dass dieser Weg nicht beschritten werden kann, ohne einen Kollaps des Gesundheitssystems und einen dramatischen Anstieg der Todesfälle zu riskieren. Marcus Carlsson, Mathematiker an der Universität Lund, weist in einem Videobeitrag darauf hin, dass es für die These, man könne die Ausbreitung eines Krankheitserregers durch die gewollte Infektion eines großen Teils der Population in den Griff bekommen, weltweit keinen einzigen Beleg gebe. Carlsson nennt den Ansatz der linken Löfven-Regierung in der Corona-Krise »russisch Roulette« und ein »verrücktes Experiment mit 10 Millionen Menschen« (Einwohnerzahl Schwedens, Anm. d. Red.).

Auch schwedische Mediziner lehnen den Kurs Stockholms ab. In einem offenen Brief haben sich hochrangige Wissenschaftler des Landes an die Regierung gewandt und gefordert, den Kontakt zwischen den Menschen stärker zu beschränken und die Zahl der Virustests deutlich zu erhöhen. Derzeit werden in Schweden nur Patienten mit schweren Symptomen auf das Virus untersucht.

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Darauf hat kürzlich die Klima-Aktivistin Greta Thunberg hingewiesen, die selbst an COVID-19 erkrankt ist. Sten Linnarsson, Molekularbiologe am Stockholmer Karolinska-Institut und Mitunterzeichner des Briefes, sagte der Zeitung Dagens Nyheter, man wolle, dass auch Schweden die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO befolge. Drastischer formuliert Fredrik Elgh, Virologe an der Universität Umeå, seine Bedenken:

»Ich bin zutiefst besorgt. Es wäre mir lieber, wenn Stockholm unter Quarantäne gestellt werden würde. Wir sind fast das einzige Land weltweit, dass nicht alles tut, um die Infektion einzudämmen. Das ist verdammt ernst!«

Es bleibt abzuwarten, ob Schweden seinen Sonderweg in der Corona-Krise durchhalten kann. Darüber wird vor allem die weitere Entwicklung der Infektionszahlen entscheiden. Sollte sich die aktuell hohe Dynamik der Neuinfektionen fortsetzen, dürfte die schwedische Regierung gezwungen sein, ihre Maßnahmen deutlich zu verschärfen.

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Mittwoch, 01.04.2020