Torsten Groß

Crash statt Wirtschaftsboom? – Top-Ökonom warnt die Anleger!

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Trotz weltweiter Corona-Pandemie erreichen die Aktienkurse an den Börsen immer neue Höchststände. Dahinter steckt die Hoffnung der Anleger auf einen Konjunkturaufschwung, der einsetzen soll, sobald die Bevölkerung durchgeimpft worden ist und der Lockdown aufgehoben wird. Denn wegen der Beschränkungen konnten die Menschen ihre Konsumwünsche kaum realisieren. Aufgrund des erzwungenen Verzichts habe sich viel Nachfrage aufgestaut, die nach dem Ende der Krise abgebaut und zu einem Wirtschaftsboom ohnegleichen führen werde, der den Unternehmen sprudelnde Gewinne bescherte. Doch der Top-Ökonom Stephen Roach, früher in leitender Funktion bei Morgan Stanley tätig, hält das für einen Irrglauben.

Roach bezweifelt, dass es den angenommenen Nachfragestau überhaupt gibt. Auf dem Markt der Konsumgüter deute sich nämlich kein Boom, sondern eine Rezession an. Bei langlebigen Produkten wie Fahrzeugen, Maschinen und Computern läge das Umsatzwachstum schon jetzt bei knapp 20 Prozent. Ein höherer Wert wurde nur in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erreicht. Damals war allerdings die Inflation deutlich höher, was bedeutet: Der gegenwärtige Wert ist real betrachtet der höchste, der seit Beginn der Aufzeichnungen vor 60 Jahren gemessen wurde. Besser geht es also kaum. Ein Boom im Segment der langlebigen Güter ist aus seiner Sicht deshalb unwahrscheinlich.

Auch bei den Verbrauchsgütern – also Artikeln des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel und Kosmetika – dürfte es kaum zu einem Nachfrageschub nach dem Ende des Lockdowns kommen.

Denn solche Produkte werden immer benötigt, weshalb Supermärkte auch in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie größtenteils geöffnet bleiben und damit zugänglich sind.

Aus diesem Grund fallen Absatzrückgänge bei Verbrauchsgütern in einer wirtschaftlicher Rezessionsphase nur moderat aus, was umgekehrt bedeutet, dass im anschließenden Aufschwung kein überproportionales Wachstum zu verzeichnen ist.

Hinzu kommt: Dass weite Teile des stationären Einzelhandels coronabedingt geschlossen wurden, bedeutet nicht, dass die Menschen nicht konsumiert haben. Viele sind auf das Internet ausgewichen und haben bei Online-Händlern bestellt. Profiteure des veränderten Kaufverhaltens sind Konzerne wie Amazon und eBay, die seit 2020 enorme Zuwachsraten verzeichnen können. Die Verbraucher haben also durchaus Geld ausgegeben, nur woanders!

Bleibt noch der Dienstleistungssektor. Hier besteht gemessen am Umsatzvolumen des Vorkrisenniveaus tatsächlich eine Lücke. Diese Lücke fällt in Europa stärker aus als in den USA, weil dort der Lockdown weniger streng war. Wird also ein Boom bei den Dienstleistungen einen Nachfrageschub und damit einen neuen weltweiten Konjunkturaufschwung auslösen? Auch das ist unwahrscheinlich. Das größte Problem sind die fehlenden Kapazitäten. Ein Restaurant beispielsweise hat nur eine begrenzte Zahl von Plätzen zur Verfügung, die es seinen Gästen anbieten kann. Dasselbe gilt für viele andere Branchen wie Friseure, Kosmetiker oder Handwerker. Ein Anstieg der Nachfrage würde hier allenfalls zu höheren Preisen, aber nicht zwingend zu mehr Wachstum führen.

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In der Vergangenheit ausgefallene Umsätze können auch nicht einfach nachgeholt werden, was vor allem das stark gebeutelte Hotel- und Gaststättengewerbe sowie die Reisebranche trifft. Außerdem haben viele Menschen im Lockdown gelernt, auf bestimmte Services zu verzichten bzw. sich selbst zu helfen. Sie könnten dauerhaft als zahlende Kunden ausfallen. Und schließlich sind einige Dienstleistungen auch über das Internet abrufbar. Das erklärt den Boom von Online-Fitnesskursen, Essenslieferanten und Streamingdiensten.

Überdies ist fraglich, ob die Verbraucher nach Corona tatsächlich bereit sein werden, das im Lockdown gesparte Geld auszugeben. Denn die Unsicherheit bleibt auch nach einer erfolgreichen Impfkampagne und der Rückkehr zum »normalen Leben« hoch. Viele Firmen, die sich auch dank staatlicher Hilfe jetzt noch mühsam über Wasser halten können, werden pleitegehen. Bei den Beschäftigten wird deshalb zunehmend die Angst vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes umgehen. Viele haben ihren Job bereits verloren oder wechseln von Kurzarbeit nahtlos in die Arbeitslosigkeit. In dieser Situation werden die meisten Menschen nicht auf Einkaufstour gehen, sondern sparen, ihren Konsum also einschränken. Auch aus diesem Grund dürfte sich die Hoffnung auf einen Wirtschaftsaufschwung im Anschluss an die Pandemie als trügerisch  erweisen.

Sollte sich bei der breiten Masse der Investoren die Überzeugung durchsetzen, dass die sehr optimistischen Erwartungen an die künftige Gewinnentwicklung der Unternehmen überzogen sind, wird es zu einer Neubewertung der heiß gelaufenen Aktienkurse kommen. Die absehbare Folge ist eine Korrektur an den Kapitalmärkten, die viele Experten für längst überfällig und auch gesund halten.

Sollten dann auch noch die Anleiherenditen, also die Effektivverzinsung von Schuldverschreibungen als risikoarme Alternative zu Aktieninvestments weiter steigen, könnte die Korrektur durchaus stark ausfallen, möglicherweise sogar in einen Crash münden.

Viele private Kleinanleger, die getrieben durch niedrige Sparzinsen und angelockt durch die Aktienhausse erst in den letzten Wochen und Monaten neu in den Markt eingestiegen sind, werden dann die schmerzliche Erfahrung machen müssen, dass Andre Kostolany, der Altmeister der Spekulation, recht hatte: Die Börse ist keine Einbahnstraße!

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Donnerstag, 04.03.2021