Andreas von Rétyi

Gefährlicher Kurs: Regime Change –
und Weltkrieg?

Ein Informationsleck liefert Belege für Pläne des Weißen Hauses, im Iran einen Regimewechsel zu erzwingen. Wieder zieht sich ein Gespinst aus Lügen durch den Nachrichtenfluss zur aktuellen Lage, wobei sich letztlich alles um Syrien dreht. Es stellt sich die Frage: Wird US-Präsident Trump zum Erfüllungsgehilfen der Eliten?

Unter Mitarbeitern des Nationalen Sicherheitsrats der USA machte ein Papier die Runde, das Pläne für einen Regimewechsel im Iran skizziert. Hinter dem Dokument steht die Security Studies Group (SSG) als amerikanische Denkfabrik zu Fragen der nationalen Sicherheit. Der SSG gehören beinahe selbstredend hochrangige Mitarbeiter des Weißen Hauses an. Einer von ihnen ist der Yale-Absolvent und Diplomat John Robert Bolton, der am 9. April 2018 zum Nationalen Sicherheitsberater für Präsident Donald Trump ernannt wurde. Seit jenem Tag scheint sich im Weißen Haus einiges geändert zu haben, und vielleicht übernimmt Bolton mitunter eine ähnliche Funktion, wie sie seinerzeit »Colonel« Edward Mandell House bei Präsident Woodrow Wilson innehatte. Jedenfalls verficht Bolton den Regimewechsel schon seit langem. Die Regierung Trump änderte ihren Kurs mit Boltons Amtsübernahme spürbar.

Dabei setzt das SSG-Dokument weniger auf militärische US-Intervention als auf eine Serie von Aktionen zur Ermutigung der iranischen Bevölkerung, gegen das Regime aufzustehen – so kommentiert die konservative Website The Washington Free Beacon, die das Material einsehen konnte. Die SSG hält fest: »Die gewöhnlichen Menschen im Iran leiden unter wirtschaftlicher Stagnation, während das Regime seinen Reichtum ins Ausland verschifft, um seine expansionistischen Kriege zu führen und die Bankkonten der Mullahs und Revolutionsgarden zu füllen.« Dies habe in den letzten Monaten bemerkenswerte Proteste im ganzen Land provoziert. Für die SSG ein gutes Argument für einen Regimewechsel. Der Auftakt besteht im US-amerikanischen Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran, das in der Obama-Ära entscheidend vom ehemaligen US-Außenminister John Kerry mitgetragen wurde.

»Intuitiv verstanden«

SSG-Präsident Jim Hanson erklärte gegenüber dem Free Beacon, die Regierung Trump beabsichtige zwar keine direkte militärische Intervention im Iran, wäre aber mit einer Post-Mullah-Regierung wesentlich glücklicher. Denn darin liege der wahrscheinlichste Weg zu einem kernwaffenfreien und weniger gefährlichen Iran. Eine Quelle sieht im »Nuklearwaffendeal« JCPOA einen Faktor für den iranischen Machtzugriff, der die USA absichtlich daran hinderte, einen Regimewechsel zu betreiben. Dadurch sei ein globaler Konsens gegen die Islamische Republik zerstört worden, der jetzt von US-Präsident Trump, John Bolton sowie dem neuen US-Außenminister Mike Pompeo erneut etabliert werden müsse.

Wie aus dem Papier hervorgeht, sollen iranische Minderheitsgruppen, die nach Unabhängigkeit streben, sowohl offen als auch verdeckt von den USA unterstützt werden, um den Regimewechsel zu erzwingen. Die Quelle erklärte mit Blick auf Bolton: »John ist jemand, der die vom Iran drohende Gefahr intuitiv versteht, und er weiß, dass sich dieses Verhalten nie grundsätzlich ändern wird – und die Bedrohung für Israel und die Saudis –, bis jenes revolutionäre Regime verschwunden ist … Nichts ist vom Tisch, falls Israel angegriffen wird.« Am 7. Mai war zudem zu vernehmen, Bolton sei zuversichtlich, dass der Regimewechsel in den nächsten sechs Monaten erfolgen werde. Damit war die Katze gleichsam aus dem Sack. Am 8. Mai verkündete Donald Trump den Ausstieg aus dem Abkommen und gab damit dem Drängen Israels nach.

Die iranische Perspektive

Schon Ende April legte Israel Aktenordner vor, die iranische Verstöße gegen das internationale Atomabkommen beweisen sollten, gab dieses Material aber nicht an die Atomenergiebehörde weiter. Außerdem provozierte Israel seinen alten Feind – der missliebigerweise legitim in Syrien stationiert ist und Assad unterstützt – wiederholt mit Militärschlägen gegen dortige iranische Ziele, so auch den Flughafen T4.

Schließlich sei es in der Nacht vom 9. auf den 10. Mai zum Angriff der iranischen Eliteeinheit al-Quds auf Israel gekommen, das mit Vergeltungsschlägen reagiert. Konnten das angesichts der Vorgeschichte überhaupt Vergeltungsschläge sein? Zumindest Hassan Shemshadi, der Ex Militärkorrespondent des staatlichen iranischen Rundfunks, beschreibt ohnehin einen anderen Ablauf der Geschehnisse. Nicht der Iran habe als Erster die Golanhöhen angegriffen, worauf Israel die Stellungen der Quds-Brigaden beschossen habe. Es habe vielmehr defensive Handlungen der syrischen Armee gegeben. Während Israel die Schuld den Quds-Einheiten in die Schuhe geschoben hätte, habe »keiner unserer Militärchefs diese Erklärung bestätigt«. Israel versuche mit seinem jüngsten Angriff lediglich einen Beleg für die Richtigkeit von Trumps Atomausstieg zu liefern.

Der Vorabend zum Weltkrieg?

Israel sei, so Shemshadi, bereits seit Anbeginn der syrischen Krise in den bewaffneten Konflikt involviert: »Wir haben nicht den geringsten Zweifel daran, dass Israel Terroristen unterstützt hat, die in Syrien gekämpft haben. All das ist auf Fotos und Satellitenvideos festgehalten. Selbst israelische Beamte haben Erklärungen abgegeben, in denen sie bestätigten, dass sie diese Unterstützung geleistet haben.« Der Syrienkrieg ist ein Produkt der Eliten und ihrer Brandbeschleuniger. Und in letzter Zeit hat es den Anschein, als entwickle sich Donald Trump mehr und mehr zu einer unfreiwilligen Marionette dieser alten Kräfte.

Erinnert sei auch an eine Aussage, die der kontroverse US-General Wesley Clark am 3. Oktober 2007 traf. Er erwähnte ein ihm gezeigtes Geheimdokument, aus dem ein grundsätzlicher Plan hervorgeht: »Wir werden sieben Ländern angreifen und deren Regierungen innerhalb von fünf Jahren stürzen.« Nach dem Irak sollte es demnach weitergehen mit Syrien, Libanon, Libyen, Somalia, dem Sudan und dem Iran.

Der Syrienkonflikt eskaliert, die zunehmende Propaganda reflektiert die politische und geostrategische Bedeutung, Russland spricht gegenwärtig von einer alarmierenden und besorgniserregenden Entwicklung, die Medien beschwören das Gespenst eines drohenden Weltkriegs. So zitiert die Huffington Post den Historiker Jeremi Suri, der im US-Magazin Foreign Policy die Aufkündigung des »Iran-Deals« einen historischen Fehler nennt, wie er auch zum Zweiten Weltkrieg geführt habe. Die toxische, unkontrollierbar komplexe Gesamtkonstellation nährt die Angst vor dem katastrophalen Zündfunken. Dabei steht nur zu hoffen, dass die gerufenen Geister der Globalisierung mit ihrer zunehmenden Vernetzung ebenso auf die Eliten abschreckend wirken, da es doch echte Gewinner wohl kaum mehr geben kann.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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