Torsten Groß

Industrie schlägt Alarm: Preise für CO2-Zertifkate explodieren

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Die Preise für CO2-Emissionsrechte, die an der Strombörse EXX in Leipzig gehandelt werden, sind in den letzten Monaten trotz Corona-Krise explodiert. Verbände der Unternehmen schlagen deshalb lautstark Alarm und warnen vor dem Verlust ihrer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenten außerhalb Europas. Den Verbrauchern drohen saftige Preiserhöhungen.

2005 wurde in der Europäischen Union der Handel mit CO2-Emissionsrechten (EU-ETS) gesetzlich verankert. Rund 11.000 Unternehmen der Energiewirtschaft, der energieintensiven Industrie und des innereuropäischen Luftverkehrs in der gesamten EU sowie den EWR-Staaten Norwegen, Island, Schweiz und Liechtenstein müssen daran teilnehmen. Als zentrales Instrument der EU-Klimapolitik verfolgt der Europäische Emissionshandel, der 45 Prozent der Treibhausgase des Kontinents erfasst, das Ziel, den CO2-Ausstoß zu möglichst geringen volkswirtschaftlichen Kosten zu senken.

Die Nutzung fossiler Brennstoffe soll künstlich verteuert werden, um sie zugunsten alternativer Energieträger wie Sonne und Wind zurückzudrängen.

Unternehmen, die mit dem ihnen zugeteilten Emissionsberechtigungen (EU-Allowances, kurz EUA) nicht auskommen, müssen zusätzliche Zertifikate käuflich erwerben, entweder im Rahmen von staatlichen Versteigerungen oder im freien Handel an der Leipziger Strombörse (EEX).

An der EEX sind die Preise für diese Zertifikate in den letzten Monaten regelrecht explodiert. Kostete eine EUA, die dem Inhaber den Ausstoß von einer Tonne Kohlendioxid erlaubt, zu Beginn der Corona-Krise im März 2020 gerade einmal 16 Euro, sind es jetzt bereits über 50 Euro, ein Zuwachs um 209 Prozent in etwas mehr als einem Jahr.

Allein seit Anfang November ging der Preis um knapp 110 Prozent nach oben, was zeigt, dass sich der Anstieg in letzter Zeit noch beschleunigt hat.

Die jetzt erreichte 50-Euro-Marke wird von Experten als ein Schwellenwert angesehen, weil es sich erst ab diesem Preis für die Unternehmen lohnt, langfristig in klimafreundliche Technologien zu investieren. Und der EUA-Kurs könnte in den kommenden Monaten weiter anziehen. Denn die gerade beschlossene drastische Anhebung des EU-Klimaziels von bislang 40 Prozent CO2-Reduktion auf 55 Prozent in 2030 dürfte eine noch stärkere Verknappung der Emissionszertifikate zur Folge haben.

Doch nicht nur die Klimapolitik Brüssels, sondern auch die Aktivitäten von Spekulanten wie Hedgefonds sorgen dafür, dass der Preis für Emissionsberechtigungen in die Höhe schnellt. Die Investoren rechnen damit, dass sich die europäische Wirtschaft nach dem Ende der Corona-Beschränkungen stark erholen und damit auch die Nachfrage nach CO2-Zertifikaten steigen wird, die auf ein dann zu kleines Angebot trifft. Aufgrund dieser brisanten Gemengelage prognostizieren Börsenprofis einen Anstieg des EUA-Preises auf bis zu 100 Euro in den kommenden zwei Jahren, was ausgehend vom aktuell erreichten Niveau einer nochmaligen Verdopplung entspräche!

Die massive Verteuerung der Emissionsberechtigungen hat die europäische Industrie auf den Plan gerufen. Ihre Interessenverbände warnen vor massiven Wettbewerbsnachteilen gegenüber der Konkurrenz aus Asien und Nordamerika, wo es keinen verpflichtenden Handel mit Verschmutzungsrechten gibt. CO2-intensive Unternehmen wie der indische Stahlkonzern Tata Steel mit Standorten in den Niederlanden und Wales sahen sich bereits gezwungen, ihre Abgabepreise zu erhöhen, um zumindest einen Teil der steigenden EUA-Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Das aber verteuert die Produkte europäischer Firmen gegenüber den Anbietern in Übersee.

Die Folge: Der Absatz geht zurück, was zum Ausfall von Einnahmen führt, die eigentlich für den von der Politik gewollten Umstieg auf »klimafreundliche« Herstellungsverfahren benötigt werden. Neben der Stahlbranche haben auch die petrochemische Industrie und die Zementbranche stark unter der Preisentwicklung an der EEX zu leiden.

Die Industrie fordert deshalb die Einführung eines CO2-Zolls etwa auf Stahlimporte, um so den Kostennachteil gegenüber ausländischen Produzenten im Interesse gleicher Marktchancen zu kompensieren. Diese protektionistische Maßnahme sei erforderlich, solange es keinen für alle Unternehmen gleichermaßen verpflichtenden globalen Emissionshandel bzw. eine Besteuerung des Ausstoßes von Treibhausgasen gebe.

Doch solche Modelle sind außerhalb Europas politisch nicht umsetzbar, zumindest nicht in absehbarer Zeit.

Klimazölle zum Schutz der europäischen Wirtschaft vor Konkurrenz aus Ländern ohne CO2-Bepreisung werden bereits seit Jahren diskutiert. Schon 2008 brachte der damalige französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy einen entsprechenden Vorschlag in die politische Diskussion ein. Nun könnte es tatsächlich dazu kommen. Die EU-Kommission will im Rahmen einer Reform des EU-Emissionshandelssystems (ETS) im Juni 2021 auch ein Konzept für die Schaffung eines sogenannten CO2-Grenzausgleichsmechanismus vorlegen, der einem Zoll gleichkäme. Die Realisierung dieses Vorhabens wäre nicht nur klimapolitisch fragwürdig. Klimazölle könnten auch fatale ökonomischen Nebenwirkungen entfalten, unter denen vor allem Deutschland zu leiden hätte. Denn eine Sonderabgabe auf kohlenstoffintensive Importe dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Gegenreaktionen der davon betroffenen Staaten führen, die ihrerseits Zölle auf europäische Einfuhren erheben würden. Das gilt insbesondere für China, dessen Wirtschaft auf stark energieverbrauchende Industrien spezialisiert ist. Solche protektionistischen Maßnahmen würden vor allem die exportlastige deutsche Wirtschaft treffen, für die China der zweitgrößte Handelspartner weltweit ist.

Deutsche Unternehmen sehen sich aber nicht nur mit rasant steigenden Preisen für EU-Verschmutzungszertifikate konfrontiert. Auch die zum 1. Januar 2021 eingeführte nationale Steuer auf fossile Brenn- und Kraftstoffe in Höhe von 25 Euro je Tonne Kohlenstoffdioxid-Emission führt zu Mehrkosten, die nicht einfach an ausländische Abnehmer weitergegeben werden können, ohne die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden. Anders sieht es auf dem heimischen Binnenmarkt aus, wo die Produzenten die Belastungen sowohl aus der deutschen CO2-Steuer als auch dem erzwungenen Erwerb teurer EUA-Zertifikate größtenteils auf die Verbraucher abwälzen. Es ist deshalb mit einem deutlichen Anstieg der Inflation zu rechnen, eine Entwicklung, die sich bereits jetzt abzeichnet: Im April lag die Teuerungsrate in Deutschland laut einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes bei 2,0 Prozent. Das ist der höchste Wert seit zwei Jahren. Der Preisauftrieb der letzten Monate setzt sich damit beschleunigt fort. In der zweiten Jahreshälfte ist sogar mit Inflationsraten von mehr als drei Prozent zu rechnen, so die Prognose von Bundesbankpräsident Jens Weidmann.

Ob es ab 2022 tatsächlich wieder zu einer Abschwächung der Teuerung kommen wird, wie Weidmann und andere regierungsnahe Auguren zur Beruhigung der Öffentlichkeit verlautbaren, bleibt abzuwarten. Vor allem dann, wenn die Grünen nach der Bundestagswahl im Herbst die Macht in Deutschland übernehmen, ist mit zusätzlichen Belastungen für Wirtschaft und Verbraucher zu rechnen. Denn die selbst ernannte Ökopartei will den Preis pro Tonne CO2 von heute 25 Euro schon ab 2023 auf satte 60 Euro anheben. Nach derzeitiger Gesetzeslage sollen erst im Jahre 2025 maximal 55 Euro pro Tonne erreicht werden. Außerdem wollen die Grünen die Zahl der EU-Emissionszertifikate auf dem Markt »deutlich reduzieren«, wie es im Bundestagswahlprogramm heißt.

Für die privaten Haushalte in Deutschland würden diese Maßnahmen erhebliche Ausgabensteigerungen mit sich bringen.

944100_michael_grandt_die_gruenenDie resultierten nicht nur aus Mehraufwendungen etwa für Fahrten mit dem eigenen Auto und das Heizen, sondern sind auch steigenden Preisen für Waren und Dienstleistungen geschuldet, weil die Anbieter ihre höhere Energie- und Brennstoffkosten zumindest teilweise an die Verbraucher weitergeben würden.

Das von den Grünen vollmundig versprochene »Energiegeld«, mit dem die CO2-Einnahmen unter Berücksichtigung sozialer Kriterien »fair« an die Bürger zurückfließen sollen, könnte – wenn es denn überhaupt kommt – die zusätzlichen Belastungen der Klimaabgaben jedenfalls für den Mittelstand bzw. die bessersituierten Leistungsträger der Gesellschaft nicht einmal entfernt ausgleichen.

Ein grün regiertes Deutschland würde für die meisten Menschen eine finanziell schmerzliche Erfahrung sein, und das nicht nur wegen der Klimapolitik!

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Mittwoch, 05.05.2021