Torsten Groß

Kandidatenkarussell dreht sich – CDU vor überlebenswichtigem Richtungsentscheid!

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Das Feld der Bewerber um den Vorsitz der CDU nach dem Abgang der gescheiterten Annegret Kramp-Karrrenbauer füllt sich. Am letzten Dienstag haben gleich drei prominente Kandidaten ihren Hut in den Ring geworfen: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, die als Tandem antreten wollen, sowie Friedrich Merz, einstmals Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und zuletzt als Wirtschaftsanwalt tätig. Eine Woche zuvor war bereits der frühere Bundesumweltminister Norbert Röttgen vorprescht und hatte seinen Anspruch auf das Amt des Parteivorsitzenden angemeldet.

Wer auf dem Sonderparteitag am 25. April das Rennen machen wird, ist offen. In Umfragen sowohl unter den CDU-Mitgliedern als auch in der Bevölkerung lag zuletzt Friedrich Merz vorn. Doch das war, bevor Laschet und Spahn als mögliches Führungsduo auf den Plan traten. Ein schlauer Schachzug. Denn während der Merkel-Getreue Laschet den christlich-sozialen und liberalen Flügel der Partei anspricht, repräsentiert Spahn den konservativen Teil der Mitgliederbasis.

Buch Hans-Jürgen Papier. Die Warnung.Das Gespann Laschet/Spahn würde also alle Lager in der CDU abdecken und wäre damit prädestiniert, die spätestens nach Thüringen sichtbar gewordenen Risse innerhalb der Partei zu kitten. Laschet kommt zudem sein Amtsbonus als Landeschef von Nordrhein-Westfalen sowie seine Nähe zur Kanzlerin zugute. Spahn hat in den letzten Jahren als umtriebiger Gesundheitsminister gepunktet und erfreut sich wegen der Corona-Krise als gefragter Gesprächspartner von Journalisten derzeit einer hohen medialen Präsenz. Eine Rolle für die Chancen Spahns dürfte auch spielen, wie er die Virus-Epidemie in Deutschland managt. Sowohl Laschet als auch Spahn gehören dem Präsidium der CDU Deutschland an, wobei Laschet als einer der fünf stellvertretenden Vorsitzenden fungiert. Sie gehören also dem Parteiestablishment an und gelten als gut vernetzt.

Schlechte Karten für Friedrich Merz also, der bislang als Favorit für die Wahl zum neuen CDU-Parteivorsitzenden galt? – Für Merz sprechen seine wirtschaftspolitische Kompetenz und seine Eloquenz, vor allem aber seine hohe Popularität an der Parteibasis. Bei seiner Anhängerschaft genießt der Sauerländer, der trotz seines Alters von 64 Jahren stets vital und angriffslustig auftritt, beinahe Kultstatus. Denn im Gegensatz zu seinen bislang bekannten Kontrahenten steht Merz erklärtermaßen für einen »konservativen Aufbruch« und einen echten Neuanfang nach 15 Jahren Angela Merkel, in deren Amtszeit die Partei ihren politischen Standort deutlich nach links verschoben hat.

Doch Merz steht vor einem Dilemma: Würde die CDU unter seiner Führung einen Rechtsschwenk vollziehen, um Wähler von der AfD zurückzugewinnen und so den Stimmenanteil der heute größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag zu »halbieren«, dann stellt sich die Frage, mit wem die Union nach der nächsten Bundestagswahl koalieren will. Aktuellen Umfragen zufolge kämen für eine regierungsfähige Mehrheit derzeit allein die Grünen als Bündnispartner in Betracht. Die aber werden kaum bereit sein, einen härteren Kurs in der Ausländerpolitik oder schärfere Gesetze zur Bekämpfung der Kriminalität mitzutragen. Ebenso wenig würde die Ökopartei im Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschland einer Aufweichung der Klimaziele, einer Verschiebung des Kohleausstiegs oder einer Renaissance der Kernkraft zustimmen. Solche und andere Versprechen müsste Merz aber machen und schließlich auch einlösen, um das konservative Protestklientel, das in den Merkel-Jahren zur AfD abgewandert ist, wieder für die Union zu begeistern.

944100_michael_grandt_die_gruenenUnd wie wäre es eigentlich, wenn nicht die Union, sondern die Grünen als stärkste Partei aus der nächsten Bundestagswahl hervorgingen? Würde sich das Alphatier Merz dann als Vize-Regierungschef und Minister im Kabinett einem möglichen Kanzler Robert Habeck unterordnen? Das ist nur schwer vorstellbar!

Demgegenüber wäre eine Regierung aus Union, FDP und AfD gegenwärtig weder rechnerisch möglich noch politisch opportun. Dagegen steht bereits die Beschlusslage der CDU, die eine Koalition mit der AfD auf allen Ebenen ausschließt. Daran will auch Friedrich Merz nicht rütteln, der in seiner Aschermittwochs-Rede im thüringischen Apolda betonte, dass die AfD »nie unser Partner« sein könne.

Hinzu kommt, dass die Ankündigung, mit den als »rechtsradikal« oder gar »faschistisch« verschrienen Rechtskonservativen zusammenarbeiten zu wollen, der Union erhebliche Stimmenverluste bei bürgerlichen Wählern bescheren würde und schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommen kann. Und eine schwarz-gelbe Mehrheit im Bund ist angesichts der schwachen Umfragewerte der Union, die zurzeit nur auf einen Wählerzuspruch von unter 30 Prozent kommt, nicht vorstellbar. Daran dürfte auch die Wahl von Friedrich Merz zum Bundesvorsitzenden absehbar nichts ändern.

Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, der den Delegierten des CDU-Parteitags zu denken geben und am Ende viele davon abhalten könnte, für Merz zu stimmen: Sein Verhältnis zu Bundeskanzlerin Angela Merkel, das als »gestört« gilt, seit Merkel den ambitionierten Politiker 2002 vom Fraktionsvorsitz im Bundestag verdrängte, um das Amt selbst zu übernehmen. Merkel will bekanntlich bis zu den Wahlen im Herbst Bundeskanzlerin bleiben und wird in dieser Absicht vom Koalitionspartner SPD unterstützt, der deutlich gemacht hat, in der laufenden Legislaturperiode keinen anderen Regierungschef akzeptieren zu wollen.

Bereits die bestehenden persönlichen Animositäten lassen erwarten, dass eine politische Koexistenz von Merz und Merkel nicht reibungsfrei verlaufen würde. Auch inhaltlich bestehen zwischen beiden Politikern erhebliche Differenzen. Merz ist für konservative CDU-Kreise ja nicht zuletzt deshalb als Kandidat attraktiv, weil er die Partei erneuern und Fehlentscheidungen der Merkel-Ära korrigieren will. Ein Nebeneinander von Merkel und Merz wäre also mit einiger Wahrscheinlichkeit spannungsgeladen und könnte der Öffentlichkeit im so wichtigen Wahljahr 2021 das Bild einer zerstrittenen Partei vermitteln.

Mit einem CDU-Parteichef Armin Laschet gäbe es diese Probleme nicht. Laschet gilt als Vertrauter von Merkel und hat u. a. die umstrittene Öffnung der deutschen Grenzen für Flüchtlinge im Jahre 2015 mitgetragen. Auf der Pressekonferenz am vergangenen Dienstag lobte Laschet ausdrücklich Merkels Kanzlerschaft als »15 gute Jahre«. Das spricht für ein hohes Maß an politischer Kontinuität der CDU unter Laschet. Dem stünde auch sein möglicher Vize Jens Spahn nicht entgegen, für den das Amt ohnehin nur eine Zwischenetappe auf seinem Weg an die Parteispitze wäre.

Armin Laschet mit Jens Spahn im Schlepptau ist zweifellos der Wunschkandidat von Angela Merkel, von dem sie sich die Wahrung ihres politischen Erbes erhofft, sprich die Öffnung der CDU nach links als Voraussetzung für eine Koalition mit den Grünen auch auf Bundesebene.

Für Norbert Röttgen, der mit seiner unerwarteten Bewerbung für das höchste Parteiamt Freund und Feind gleichermaßen überraschte, gilt das nicht. Röttgen fiel 2012 bei Merkel in Ungnade, als er nach der verkorksten Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen lieber sein Amt als Bundesumweltminister weiterführen wollte anstatt Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag zu werden. Außerdem hatte »Muttis Liebling« den Fehler begangen, den Urnengang in NRW zur Abstimmung über die Politik von Kanzlerin Merkel hochzustilisieren. Anders als Laschet und Spahn kann Röttgen, der dem linken Parteiflügel der CDU zuzurechnen ist, kaum mit Rückendeckung durch Merkel rechnen. Beobachter gehen davon aus, dass Röttgen seine Kandidatur nur als ein Vehikel nutzt, um sich seinen Teil am innerparteilichen Machtkuchen etwa durch einen Posten im neuen Bundesvorstand zu sichern, dem er bislang nicht angehört.

Eines haben Laschet und Röttgen gemeinsam: Sie wären kompatibel für eine Regierungskoalition mit den Grünen nach der Bundestagswahl 2021. Anders Friedrich Merz: Er steht den Grünen deutlich distanzierter gegenüber und bezeichnet die in den Medien gerne als »bürgerlich« titulierte Ökopartei ausdrücklich als »links«. Unter diesen Vorzeichen könnte sich ein schwarz-grünes Bündnis unter einem Kanzler Merz schwierig gestalten.

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Klar ist: Die CDU als (noch) größte deutsche Volkspartei steht vor einem Richtungsentscheid, dessen Ergebnis die Zukunft der Partei wie unseres Landes erheblich beeinflussen könnte. Man darf deshalb gespannt sein, für welchen der Kandidaten die CDU-Delegierten mehrheitlich stimmen werden. Viel dürfte davon abhängen, wie sich die Bewerber auf dem Parteitag präsentieren. Sollten Laschet/Spahn oder Röttgen das Rennen machen, ist mit politischer Kontinuität zu rechnen. Eine Neuausrichtung der CDU wäre bei der Wahl dieser Kandidaten nicht zu erwarten, was vor allem der AfD in die Karten spielen würde. Ein Bundesvorsitzender Merz könnte die »Alternative« dagegen viele Stimmen bürgerlicher Protestwähler kosten. Insgeheim dürften deshalb viele AfD-Funktionäre Armin Laschet oder Norbert Röttgen die Daumen für den 25. April drücken!

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Samstag, 29.02.2020