Tyler Durden

Neues Wettrüsten? Russland droht damit, »das Gleichgewicht wiederherzustellen«, sollten die USA Atomvertrag kippen

Russland hat Vorwürfe zurückgewiesen, man habe gegen das Atomwaffenabkommen INF (Intermediate Range Nuclear Forces, auf deutsch: nukleare Mittelstreckensysteme) verstoßen. Zuvor hatte Amerikas Präsident Donald Trump öffentlich erklärt, er wolle den INF-Vertrag aufkündigen. Dahinter steht die Absicht, sich von allen Fesseln zu befreien, die Amerika daran hindern könnten, sich der zunehmenden militärischen Präsenz Chinas im pazifischen Raum entgegenzustellen. Hinzu kommt, dass nach Einschätzung vieler westlicher Militärvertreter auch Russland immer aggressiver auftritt.

Ein ranghoher russischer Vertreter warnte, das Vorgehen Amerikas werde Russland möglicherweise zwingen, »das Gleichgewicht wieder herstellen« zu müssen. Hinter dieser Aussage steht die verschleierte Drohung, noch gefährlichere Waffen zu entwickeln und damit Sorgen zu bestätigen, dass die Welt in ein Wettrüsten zwischen den drei globalen Supermächten USA, China und Russland eingetreten ist.

Der russische Präsidentensprecher Dimitri Peskow sagte laut RT: »Sollten derartige Schritte [wie ein Ausstieg der USA] ergriffen werden, würde die Welt zu einem gefährlicheren Ort.«

Der Kreml fühle sich gegenüber dem Abkommen weiterhin verpflichtet, sagte Peskow und erklärte, die USA hätten noch keine formalen Schritte zur Aufkündigung des Abkommens ergriffen. Die New York Times allerdings meldet, Washington wolle Russland im Laufe dieser Woche über den Rückzug in Kenntnis setzen. Berichten zufolge hat John Bolton, Berater des US-Präsidenten in Fragen der nationalen Sicherheit, Trump zu diesem Schritt gedrängt (und ironischerweise tourt Bolton gerade durch Russland und eine Reihe weiterer ehemaliger Sowjetstaaten). Als Begründung führt Bolton an, Russland würde seit Jahren ungestraft das Abkommen verletzen.

»Wir lassen Sie nicht gegen einen Atomvertrag verstoßen«, sagte Trump am Samstag auf einer Wahlkampfveranstaltung in Elko, Nevada. »Wir werden die Vereinbarung aufkündigen.«

Nach Auffassung der USA hat Russland mit der Entwicklung der ballistischen Rakete Novator 9M729 (Nato-Name: SSC-8) gegen das Abkommen verstoßen. Die 9M729 erlaubt es Russland, Nato-Staaten ohne große Vorwarnung atomar anzugreifen.

Das 1987 geschlossene Abkommen galt als Meilenstein bei den Abrüstungsgesprächen zwischen Sowjetunion und USA. Im Zuge des Vertrags wurden tausende landgestützter Mittelstreckenraketen vernichtet.

In einem Interview mit der FT sprach Russlands Vize-Außenminister Sergei Rjabkow über die Möglichkeit, dass die feindselige Stimmung zwischen USA und Russland ein neues Wettrüsten anstoßen könnte. Trumps Entscheidung, den Vertrag aufzukündigen, sei »ein sehr gefährlicher Schritt, der, da bin ich sicher, nicht nur von der internationalen Völkergemeinschaft nicht verstanden werden wird, sondern auch ernste Kritik nach sich ziehen wird«, sagte Rjabkow.

Der Vertrag ist »wichtig für die internationale Sicherheit und die Sicherheit in der Sphäre der Atomwaffen sowie zum Erhalt der strategischen Stabilität«, so der stellvertretende Außenminister gegenüber der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS.

RIA Novosti gegenüber sagte Rjabkow, sollten sich die USA weiterhin »unbeholfen und grob« verhalten und aus anderen Verträgen aussteigen, »werden wir keine andere Wahl haben, als Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen. Dazu zählt auch die Militärtechnologie.« Er schränkte allerdings ein: »Wir wollen nicht, dass es soweit kommt.«

Auch Michail Gorbatschow, letzter Staatspräsident der Sowjetunion und seinerzeit neben Ronald Reagan der andere Unterzeichner des Vertrags, äußerte sich kritisch. Über Jahre hinweg erzielte Fortschritte bei der atomaren Abrüstung würden gefährdet, sollte der Vertrag aufgekündigt werden.

Andere russische Vertreter übten schärfere Kritik am geplanten Ausstieg der USA. Das sei im Grunde Erpressung, sagten Parlamentarier. Leonid Slutzki, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im russischen Unterhaus, verglich Trumps Vorgehen damit, »eine riesige Mine unter dem gesamten Abrüstungsprozess auf dem Planeten zu platzieren«.

Sollten die USA tatsächlich ihr Vorhaben umsetzen und das Abkommen offiziell aufkündigen, könnte es sein, dass beide Seiten mit verschärftem Tempo weitere atomar bestückte Mittelstreckenraketen entwickeln. Das würde zwangsläufig die Spannungen weltweit verstärken – und das zu einem Zeitpunkt, an dem die USA und China ohnehin bereits auf einen Bruch zusteuern.

Quelle: Zerohedge