Andreas von Rétyi

Tödliche Medizin und Migration:
Gefahr für Patienten?

Die meisten Medien scheuen dieses Thema wie der Teufel das Weihwasser.
Mittlerweile spricht aber auch der Präsident der Bundesärztekammer von einer untragbaren Situation. Im Extremfall gefährden sogar falsche Ärzte aus Drittländern unsere Gesundheit.

Tatsächlich, es ist ein heikles, ein »sensibles« Thema, das unsere Leitmedien nur allzu gerne umschiffen: Ärzte, die aus Drittländern zu uns kommen und mangels Fachwissens zu einer ernsten Bedrohung für Patienten werden. Wer sich dergestalt äußert, darf in unserer politischen Schwarz-Weiß-Landschaft mit stereotyper Kategorisierung und Aburteilung rechnen. So haben sich auch viele eigentlich zuständige Experten und Medien nur sehr vorsichtig geäußert, wenn überhaupt. Zu den Ausnahmen in diesem Meer trügerischer Ruhe zählt die Tageszeitung Neue Westfälische, die zum Stand Mitte Februar 2018 erneut über Zweifel an der Qualifikation »ausländischer Ärzte« berichtete. Dabei geht es primär um Ärzte, die von außerhalb der EU als Flüchtlinge ins Land kamen. Hier zitierte, gerichtlich bestätigte Fälle belegen die unfassbare Situation.

Vorfälle bleiben im Dunkeln

In einem Krankenhaus in Westfalen-Lippe starb ein Kind bei der Geburt – mangels ausreichender Kenntnisse der aus Libyen stammenden Gynäkologin, deren Qualifikation von ihrem Heimatland bescheinigt worden war. Die Ärztin erhielt eine Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung und darf nun in einem anderen Krankenhaus weiterarbeiten. Als ein Mann unter Alkoholeinfluss stürzte, wurde er unmittelbar in die Psychiatrie eingewiesen. Dort verstarb er an einer Gehirnblutung. Um diagnostische Abklärung hatte sich zuvor niemand gekümmert. Die versorgenden Ärzte wurden von der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) als Ärzte »mit ausländischen Studienabschlüssen und fraglich ausreichenden Sprachkenntnissen« beschrieben. Laut dem ÄKWL-Kammerpräsidenten Theodor Windhorst droht eine Beeinträchtigung der Patientenversorgung. Die Sachlage ist geradezu bizarr. Denn bei den eingewanderten Ärzten darf nur die sprachliche Kompetenz geprüft werden, nicht die fachliche. Und wenn bereits im Zuge dieser Prüfung fachliche Mängel auffallen, dürfen sie nicht gemeldet werden! Regionen wie Ostwestfalen-Lippe sind auf ausländische Ärzte angewiesen. Stammen sie aus der Schweiz, der EU oder der EFTA, gelten die Abschlüsse als gleichwertig, in anderen Fällen sieht es nicht so rosig aus.

Mitte Februar äußerte sich der Hamburger Neuropsychologe und Psychiater Professor Dr. Wolfgang Meins zur Entwicklung. Kurz vor Weihnachten sei im Ärzteblatt noch eine stimmungsvolle Nachricht zu sechzehn »geflohenen « Ärzten präsentiert worden, die in Hessen ihre Approbation erhalten hätten. Sechs Wochen später bezeichnete Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), es jedoch als »überhaupt nicht mehr tragbar«, Berufszulassungen oder Approbationen allein nach einem Sprachtest und der Überprüfung eingereichter Papiere zu erteilen – so berichtete das Ärzteblatt. Professor Meins kommentiert: »Was nun in den letzten beiden Jahren, in welcher Häufigkeit, konkret vorgefallen ist, dass sich der Bundesärztekammer-Präsident Sorgen um das Patientenwohl machen muss, ist bisher kaum öffentlich geworden.«

Gekaufte Zertifikate

Gefahr und Dimension des weitgehend totgeschwiegenen Skandals werden durch eine bestätigende Aussage Montgomerys klar. Wie er betont, müsse man ausschließen, »dass Menschen als Arzt tätig werden, die sich in ihren Heimatländern Zertifikate gekauft haben, ohne jemals die Universität besucht zu haben.« Wie er hinzufügt, habe sich mittlerweile erwiesen, »dass das Qualitätsniveau einiger Drittstaatler so schlecht ist, dass man es mit der alleinigen Überprüfung der Dokumente und durch Kenntnisprüfungen nicht ausreichend feststellen kann«. Professor Montgomery fordert zügiges Handeln, vor allem, weil sich gegenwärtig »sehr viele Drittstaatler« um eine Zulassung bewerben. Doch dürfe sich der hiesige Ärztemangel nicht negativ auf das Qualitätslevel auswirken. Montgomery erklärte: »Ärzte können nicht Fehler einer nicht geleisteten Integration ausbaden.« Er verlangt eine strikte, verpflichtende Prüfung auf hohem Niveau.

Den Ball schön flach halten

»Der Bundesärztekammer-Präsident hält den Ball ansonsten eher flach«, moniert allerdings Professor Meins, der eine markige Presseerklärung erwartet hätte anstatt eines Gesprächs mit dem Ärzteblatt, das nur knapp berichtet habe. Dabei sei das Problem zahlenmäßig keineswegs unbedeutend. »Allein in Niedersachsen sind knapp 3700 Ärzte aus Drittstaaten tätig«, so Professor Meins. Wie er hinzufügt, sei jedoch eine von der dortigen Ärztekammer ausgehende Initiative zum Patientenschutz durch verschärfte ärztliche Zulassungsregeln von der niedersächsischen SPD Gesundheitsministerin Carola Reimann abgelehnt worden. Wie sie erklärt habe, seien die bestehenden Anerkennungsregeln aus Sicht der Bundesregierung gelungen.

Der Marburger Bund als Fachgewerkschaft für Ärzte hält in seinem Leitfaden vom Januar 2017 fest, dass im Jahr 2015 der größte Zustrom an Ärzten aus Syrien gekommen sei. Das Merkblatt zitiert BÄK Chef Montgomery damals übrigens noch mit den Worten: »Gerade in ländlichen Regionen leisten die Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung. In vielen Kliniken käme es ohne sie zu erheblichen personellen Engpässen.« Gewiss gibt es sie ebenso, hervorragende Ärzte aus Drittstaaten. Nur muss die Qualifikation sichergestellt werden. Und die Medien sollten ihren Informationsauftrag erfüllen. Aber, wie Professor Meins kommentiert: »Diese Art von Skandalen schätzt man dort offenbar nicht besonders.«

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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