F. William Engdahl

Washington eskaliert Finanzkrieg in der EU

Lettland ist zum Schauplatz der nächsten Phase in Washingtons geopolitisch motiviertem Finanzkrieg geworden. Innerhalb weniger Tage zwangen die USA die lettische Regierung und die EZB, Lettlands drittgrößte Bank zu zerschlagen. Gerichte hat man gar nicht erst gefragt.

Unabhängig davon, inwieweit die ABLV Bank tatsächlich in Geldwäsche verwickelt war und inwieweit sie wirklich mit Nordkorea oder Russland zusammengearbeitet hat – Washingtons Vorgehen wirkt wie der wenig verheißungsvolle Auftakt für die nächste Runde von Erpressungsversuchen, die gegen die Finanzstrukturen anderer Staaten oder der EU gerichtet sind. Obwohl die ABLV mitteilte, sie habe innerhalb von vier Tagen nahezu 1,7 Milliarden Dollar eingesammelt, um dem Abfluss von Einlagen gegenzusteuern, behauptete die EZB am 23. Februar, der Bank fehle es an liquiden Mitteln, stufte sie als »ausfallend oder wahrscheinlich ausfallend« ein und informierte den sogenannten Einheitlichen Abwicklungsausschuss über die Situation. Dieser stellte fest, dass die Bank abgewickelt werden müsse. Wenige Stunden zuvor war Ilmārs Rimšēvičs verhaftet worden, der lettische Zentralbankchef und Vertreter seines Landes im EZB-Rat. Rimšēvičs wird Korruption vorgeworfen, der Fall hat angeblich nichts damit zu tun, dass die EZB die ABLV aus dem Verkehr zog. Nach zwei Tagen wurde der Notenbankchef wieder auf freien Fuß gesetzt, ohne dass Anklage erhoben worden wäre. Der Zeitpunkt ist allerdings schon sehr verdächtig. Die EZB wies die lettische Bankenaufsicht FKTK an, der Bank mit einem Moratorium Zeit zu geben, ihre Situation zu stabilisieren. Auch für die ABLV-Tochter in Luxemburg wurde ein Moratorium verhängt.

Das US-Finanzministerium wird aktiv

Auffällig am Vorgehen der EZB gegen die lettische Bank ist, dass das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) erst kurz zuvor, am 13. Februar, gegen die ABLV den Vorwurf der Geldwäsche erhoben hatte. FinCEN ist die Abteilung des US-amerikanischen Finanzministeriums, die sich mit angeblichen Finanzverbrechen befasst. Wenig überraschend sorgte die Mitteilung aus den USA dafür, dass die Anleger ihr Geld abzogen. Gleichzeitig wurde die Bank sofort vom in Dollar geführten Interbankengeschäft ausgeschlossen, was es ihr unmöglich machte, ihre in Dollar geführten Verpflichtungen zu bedienen. Es spricht einiges dafür, dass eine Schließung hätte vermieden werden können, aber die EZB nutzte die Situation geschickt aus, die ABLV dicht zu machen. Die ABLV Bank wurde mal eben so im Vorbeifahren »niedergeknallt« – vom US-Finanzministerium und der EZB. Innerhalb von gerade einmal zehn Tagen zwang das amerikanische Finanzministerium die EU, bei einer ihrer Eurozonen-Banken den Stecker zu ziehen – noch dazu handelte es sich um eine Bank mit Geschäftsverbindungen zu Unternehmen aus Russland und Osteuropa. Und das Ganze geschah, ohne dass ein Rechtsverfahren eröffnet wurde (die FinCEN erhob ihre Vorwürfe in einem »Entwurf«) oder Anhörungen stattfanden.

Es geht hier nicht darum, ob die ABLV Geldwäsche betrieben hat oder die Vorwürfe haltlos waren. Viele deutlich prominentere Banken wie HSBC, JP MorganChase oder die renommierte Deutsche Bank wurden beschuldigt, für das organisierte Verbrechen in großem Stil Geld gewaschen oder andere illegale Dinge begangen zu haben, und meistens kamen die Finanzinstitute mit einem »Klaps« davon. Nein, diese jüngste Aktion des US-Finanzministeriums scheint politisch motiviert, und es spricht einiges dafür, dass es der Auftakt für eine Aktion ist, die Russlands finanzielle Aktivitäten innerhalb der Eurozone vollständig zum Erliegen bringen soll, nachdem dieser Bereich die Finanzsanktionen, die Washington gegen Moskau verhängt hat, bislang halbwegs unbeschädigt überstand. Im Jahr 2012 attackierte die EU die Mittelmeerrepublik Zypern und zwang dem Land ein radikales neues Gesetz auf, wonach Anleger künftig für einen Teil der faulen Kredite zypriotischer Banken aufkommen müssen. Berichten zufolge beschlossen daraufhin viele russische Unternehmen und sehr wohlhabende Russen, ihr Hauptquartier für Finanzgeschäfte in der EU von Zypern nach Lettland zu verlegen. Größter Profiteur dieses Geldzustroms war die ABLV.

Schwache Beweislage

Ganz offenkundig hat das US-Finanzministerium auf den richtigen Zeitpunkt zum Zuschlagen gewartet: Aktuell spielt Russland eine zentrale Rolle dabei, (gegen die Interessen Washingtons) einen Waffenstillstand in Syrien auszuhandeln. Außerdem war Moskau zuletzt sehr aktiv damit beschäftigt, die von Washington so sehr herbeigesehnte Verschärfung der Nordkorea-Krise zu vermeiden. Der Schlag gegen eine zentrale Finanzader ausgewählter russischer Unternehmen ist da offenbar eine hervorragende Methode, um Moskau einen Wirkungstreffer zu verpassen. In der Meldung des US-Finanzministeriums, die das Aus für die ABLV mit sich brachte, fehlten detaillierte Vorwürfe und substanzielle Beweise. In der Mitteilung heißt es, die Vorwürfe basierten unter anderem darauf, dass die Bank Umgang mit »juristischen Personen« pflege, die am nordkoreanischen Raketenprogramm beteiligt seien. Bei der Mehrheit der ABLV-Kunden handle es sich um »hochriskante Mantelgesellschaften, die außerhalb Lettlands registriert seien«, so die Behörde. Wie sie »hochriskant« definiert oder feststellt, bleibt der Fantasie überlassen. Und was die »Mantelgesellschaften, die außerhalb Lettlands registriert sind«, anbelangt: Die meisten US Konzerne, Firmen wie Apple oder Halliburton, nutzen im Ausland registrierte Mantelgesellschaften, um in Amerika keine Steuern zahlen zu müssen.

FinCEN führt noch eine weitere Rechtfertigung für die extreme Tat an, der ABLV den Zugang zum Dollarmarkt zu verwehren und damit praktisch die Schließung der Bank zu erzwingen: Im August 2016 habe die ukrainische Nationalbank die Kreditinstitute des Landes gewarnt, die ABLV stehe im Verdacht, an riskanten Finanzgeschäften beteiligt zu sein und unter anderem Einnahmen aus kriminellen Machenschaften zu waschen. Wer sich mit Korruption in Kiew auskennt, vor allem nach dem Staatsstreich, den die USA im Februar 2014 in der Ukraine anzettelten, der wird zweifelsohne zustimmen, dass die ukrainische Nationalbank nicht die verlässlichste aller Quellen ist, und dass man sich gut überlegen sollte, ob man auf ihre Aussage hin eine Bank in Lettland schließen sollte. FinCEN kommt zu dem Schluss, zu den Geschäftsaktivitäten der ABLV gehörten »Geldwäsche und andere Transaktionen, durchgeführt von einer Reihe unrechtmäßiger Akteure, die die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gefährden«.

Moskau stockt Goldreserven massiv auf

Alle Beweise in dem Fall der ausgeschalteten lettischen Bank sprechen dafür, dass die USA in ihrem Finanzkrieg gegen Russland und Russlands Fähigkeiten, die Auswirkungen der amerikanischen Sanktionen abzupuffern, in die nächste Phase eingetreten sind. Auch der Zeitpunkt ist verdächtig, denn am 18. März finden in Russland die wichtigen Präsidentschaftswahlen statt. Im August 2017 verabschiedete der amerikanische Kongress CAATSA ein Gesetz, wonach das Land seinen Feinden durch Sanktionen entgegentritt. Finanzminister Steve Mnuchin, ein ehemaliger Goldman-Sachs-Banker, muss laut Gesetz detailliert beschreiben, inwieweit eine Ausweitung der Sanktionen Russlands Staatsschulden und die komplette Spanne an Derivaten betrifft. Am 29. Januar legte das Finanzministerium den entsprechenden Bericht vor.

Parallel zu diesem Bericht veröffentlichte das Ministerium eine Liste, auf der zahlreiche russische Kabinettsmitglieder stehen, sowie Firmen, die offenbar sehr enge Beziehungen zu Präsident Putin pflegen. Bizarrerweise erklärte das Ministerium, die Namensliste sei keine Sanktionsliste.

Erst der CAATSA-Bericht, dann wenige Tage darauf die Ankündigung des Finanzministeriums, die einer Bank den Saft abdreht, von der man weiß, dass russische Unternehmen in der EU sie nutzen … Offenbar zielt Washington darauf ab, die verbliebenen Verbindungen zwischen EU-Banken und Russland zu durchtrennen, um auf diese Weise Nordkorea zu schaden. Ganz offensichtlich hat Washington ein viel größeres Ziel im Visier als eine kleine lettische Bank. Die Vorfälle sind auch ein zentraler Grund dafür, dass Russlands Zentralbank in Rekordgeschwindigkeit seine Goldreserven aufstockt. Im Februar überstiegen die offiziellen Reserven des russischen Staats erstmals diejenigen Chinas. Anleger und Nicht-Amerikaner sollte ein Punkt beunruhigen: ABLV ist ein Präzedenzfall und könnte bloß der Auftakt für schwerere Angriffe auf Banken aus Ländern sein, die nicht bereit sind, nach der Pfeife Washingtons zu tanzen.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kopp Exklusiv.
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